Barrierefreiheit planen
Wie Sie das Projekt barrierefreien Umbau angehen, hängt in erster Linie von zwei wichtigen Faktoren ab:
1. die Bedürfnisse des Menschen, für den umgebaut wird
Stellen Sie sich dazu ein paar Fragen: Wie stark ist die körperliche Behinderung des Betroffenen? Benutzt er einen Rollstuhl? Oder einen Rollator? Kann er sich im Alltag selbstständig versorgen? Kommt er allein aufs WC? Wichtig für das Ergebnis nach der Renovation ist auf jeden Fall, dass der Bewohner oder die Bewohnerin über grosse Bewegungsflächen verfügt, Zugänge wie Türen problemlos nutzen sowie Griffe und Schalter gut erreichen kann.
2. den Gegebenheiten beziehungsweise Barrieren in Ihrem Haus oder der Wohnung, die angepasst werden sollten
Wohnen Sie in einem modernen Haus mit klaren Strukturen und rechtwinkligen Räumen oder in einer älteren Villa mit engen Fluren, steilen Treppen und Türschwellen auf dem Boden? Bedenken Sie, dass nicht immer teure und technische Lösungen zum besten Ergebnis führen müssen – meistens sind es eher die einfachen und praktischen.
Generell gilt: Ziehen Sie bei der Planung zur Barrierefreiheit einen Fachmann zu Rate.
Die rechtlichen Grundlagen
Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in der Schweiz ist Inhalt des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) von 2004. In Bezug auf das Thema Wohnen enthält es zum Beispiel Richtlinien für öffentlich zugängliche Bauten und Anlagen mit mehr als acht Wohneinheiten.
Im Jahr 2009 ist zudem die Norm SIA 500 «Hindernisfreie Bauten» des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins in Kraft getreten. Sie zielt darauf ab, jeden Bau in der Schweiz ohne Diskriminierung zugänglich zu machen. Für Menschen mit Privatimmobilien lohnt sich ein Blick in die Unterlagen, denn hier können sie sich Informationen über Barrierefreiheit holen: Wie breit sollte zum Beispiel eine Tür sein? Wie viel Platz braucht es vor einem Lift?
Finanzielle Förderung
Barrierefreiheit in einem Haus oder in einer Wohnung zu gewähren, kann je nach Notwendigkeit eine teure Angelegenheit werden. Die Kosten für eine Rampe, für einen Treppenlift und für die Komplettumrüstung des Bads belaufen sich schon auf einen hohen fünfstelligen Betrag. Aus diesem Grund sollten Sie wo möglich finanzielle Unterstützung in Anspruch nehmen.
Ein schweizweites Angebot liefert die Invalidenversicherung, die unter anderem die Finanzierung von Umbauten oder Anpassungen in Eigenheimen übernimmt – sofern die betreffende Person noch nicht das AHV-Alter erreicht hat. Interessieren Sie sich für die Förderung auf kantonaler Ebene, sollten Sie eine örtliche Beratungsstelle aufsuchen. Eine Quelle für weitere Informationen finden Sie zum Beispiel bei Pro Infirmis.
Für querschnittsgelähmte Menschen ist die Schweizer Paraplegiker-Stiftung eine sinnvolle Anlaufstelle. Diese gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Nottwil unterstützt in Not geratene Para- und Tetraplegiker unter anderem beim Umbau von Wohnraum.
Barrierefreie Räume und Lebensbereiche
Die Zimmer, in denen sich der körperlich Beeinträchtigte am meisten aufhält, sollten auch entsprechend gestaltet und ausgerüstet sein. Das Bad, die Küche, das Wohnzimmer, das Schlafzimmer. Schwer zugängliche Orte wie der Keller oder der Estrich sollten ohnehin nur von körperlich unversehrten Personen im Haushalt genutzt werden.
Sowohl in Wohnräumen wie dem Schlafzimmer als auch in Nutzräumen wie dem Bad lässt sich mit ein paar Umbaumassnahmen Barrierefreiheit herstellen.
1. Badezimmer
Einem gesunden Menschen fällt es wahrscheinlich gar nicht auf, aber im Bad vollziehen wir die meisten Handlungen mit unterschiedlichsten Anforderungen an unseren Körper und die Einrichtung: stehend unter der Dusche, sitzend auf dem WC, liegend in der Badewanne, gebeugt über dem Waschtisch. Aus diesem Grund ist auch das Badezimmer der Raum mit dem grössten Optimierungspotenzial in Bezug auf Barrierefreiheit.
- Dusche: Der grösste Fokus liegt hier auf der Sicherheit. Diese kann durch einen ebenen Einstieg («Walk-in»), eine Sitzmöglichkeit, einen rutschfesten Boden und durch zusätzliche Haltegriffe gewährleistet werden. Für ein Plus an Komfort sorgen zum Beispiel bequem erreichbare Ablagemöglichkeiten und eine in der Höhe verstellbare Handbrause.
Ein Klappsitz in der Dusche steigert sowohl den Komfort als auch die Sicherheit.
- Badewanne: Hier sind nicht nur die Gegebenheiten innerhalb, sondern auch ausserhalb wichtig. Ist der Platz vor der Wanne frei von Hindernissen? Lassen sich die Armatur und der Abfluss von ausserhalb bedienen? Einen einfachen Zugang bietet eine Wannentür.
Der normalerweise hohe Einstieg in eine Badewanne kann zu einem Hindernis werden – eine Wannentür schafft Abhilfe.
- WC: Gerade Rollstuhlfahrer benötigen bei der Nutzung sehr viel Platz. Das gilt sowohl für die Tür – die eine Breite von 90 Zentimetern benötigt – als auch für das WC selbst. Die Toilette sollte mit einer Tiefe von 70 Zentimetern, gemessen von der WC-Vorderkante bis zur Rückwand, verbaut werden. Die Sitzhöhe beträgt in der Regel 40 Zentimeter. Neben der WC-Schüssel benötigen Rollstuhlfahrer auf einer Seite zusätzlich mindestens 90 Zentimeter Platz, damit sie ihren Rollstuhl parallel abstellen können. Extra Haltegriffe erleichtern die Nutzung.
Rollstuhlfahrer benötigen insbesondere bei der Nutzung der Toilette viel Platz. Links oder rechts sollten mindestens 90 Zentimeter Freiraum vorhanden sein.
- Dusch-WC: Wie der Name schon sagt, handelt es sich um eine Kombination aus WC und Dusche. Im Prinzip ist das Dusch-WC eine Toilette inklusive einer Gesässdusche und eines beheizbaren Sitzes. Je nach Hersteller gibt es weitere Extras wie Geruchsabsaugung und einen Warmluftföhn.
2. Küche
Hier ist besonders die Erreichbarkeit wichtig. Der Mensch beziehungsweise dessen Einschränkung ist das Mass aller Dinge. Der Benachteiligte benötigt barrierefreien Zugriff auf alle Ober- sowie Unterschränke und Schubladen inklusive deren Inhalte. Ebenso ist die problemlose Zugänglichkeit zu elektrischen Geräten und Steckdosen wichtig. Auch hier besteht die grösste Herausforderung, die Gegebenheiten für einen Rollstuhlfahrer anzupassen.
Bewegbare Oberschränke erleichtern der beeinträchtigten Person die Arbeit in der Küche.
Ein langer Brauseschlauch in der Spüle, eine unterfahrbare Arbeitsplatte und per Knopfdruck in der Höhe verstellbare Oberschränke machen das Benutzen im Sitzen möglich. Lebensmittel in den Kühlschrank und Teller in den Geschirrspüler ein- und auszuräumen, kann schon für nicht beeinträchtigte Menschen mühselig sein. Für einen Rollstuhlfahrer sollten die Einrichtungsgegenstände deswegen auf Sicht- beziehungsweise Arbeitshöhe angebracht sein.
Wird die Küche für eine sehbehinderte Person umgebaut, so sind unter anderem gut ertastbare Elemente und Elektrogeräte, die akustische Signale von sich geben, nötig.
Informationen über barrierefreie Küchen erhalten Sie zum Beispiel bei der Schreinerei Zangger.
3. Wohn- und Schlafzimmer
Im Wohn- und Schlafzimmer stehen weniger bauliche als vielmehr Einrichtungselemente im Zentrum. Neben ausreichend Platz und einer mindestens 90 Zentimeter breiten Tür braucht es deshalb behindertengerechte Möbel. Standardexemplare aus grossen Einrichtungshäusern sind meistens nicht geeignet.
Das Stichwort lautet hier in der Regel: Höhenverstellbarkeit. Für Ihr barrierefreies Wohnzimmer gibt es Sofas und Sessel, die sich ganz einfach per Fernbedienung herauf- und herunterfahren lassen. Auf einer hohen Stufe kann sich die beeinträchtigte Person ohne grosse Anstrengung hinsetzen, um es sich dann auf einer niedrigeren Stufe bequem zu machen. Ein Esstisch sollte auch höhenverstellbar sein oder er ist schon so hoch gebaut, dass er von einem Rollstuhl unterfahrbar ist.
Im Schlafzimmer bietet sich ein Kleiderschrank an, bei dem sich die oberen Fächer auf Greifhöhe absenken lassen. Auch das Bett sollte behinderten- beziehungsweise altersgerechte Funktionen mit sich bringen. Zum Beispiel Höhenverstellbarkeit, eine verstellbare Liegefläche – aufgeteilt in Kopf- und Fussbereich – sowie im Optimalfall einen Zugang von drei Seiten, um den Beeinträchtigten pflegen zu können.
Im Übrigen: Handelt es sich um einen Haushalt, in dem beeinträchtigte und nicht beeinträchtigte Personen zusammenleben, können beide von der Barrierefreiheit profitieren, wie zum Beispiel von einem in der Höhe verstellbaren Schreibtisch.
4. Treppen
Die wohl grösste Hürde für körperlich behinderte und ältere Menschen in einem mehrstöckigen Haus sind Stufen. Barrierefreie Lösungen gibt es aber auch hierfür – in erster Linie Liftsysteme. Ein solches besteht in der Regel aus einem Schienensystem, einer Antriebseinheit und dem Sitz. Da vor allem im Eigenheimsegment kein Treppenhaus einem anderen gleicht, ist jeder Treppenlift eine Massanfertigung. Für Menschen, denen das Beugen der Beine Schmerzen bereitet, gibt es Stehlifte, für Rollstuhlfahrer Hublifte. Informationen erhalten Sie zum Beispiel bei Högg Liftsysteme.
Mit einem Treppenlift in den eigenen vier Wänden stellen auch Stufen kein Problem mehr dar.
Das intelligente Zuhause
Das Smart Home – also das mittels moderner Technik vereinfachte Wohnen – kann auch beim Thema Barrierefreiheit eine Rolle spielen. Das Stichwort lautet Ambient Assisted Living (AAL), das umgebungsunterstützte Leben. Diese Ideologie soll den Alltag der betreffenden Personen durch intelligente Methoden, Lösungen und Produkte erleichtern.
Beispiele für AAL-Technologien:
- Smarter Lautsprecher mit Sprachsoftware: Das bekannteste Produkt Amazon Alexa bietet unter anderem die Möglichkeit, Spracheinkäufe zu tätigen und sich die Lebensmittel nach Hause liefern zu lassen.
- WLAN-Türklingel: Per App können Nutzer abfragen, oder über ein smartes Display sogar sehen, wer vor der Tür steht. Ist die Person unbekannt, kann man den direkten Kontakt vermeiden und so auch Trickbetrügern von vornherein aus dem Weg gehen.
- Sturzerkennung: Die notwendigen Sensoren lassen sich praktisch unter jedem Bodenbelag installieren und erkennen, wenn eine Person gestürzt ist. In diesem Fall löst das System automatisch einen Alarm aus. Eine ähnliche Funktion beinhalten auch aktuelle Apple Watches.
Gerade ältere Menschen, die ohne moderne Technik aufgewachsen sind, werden sich mit den intuitiv zu bedienenden Technologien schnell anfreunden. Es sind keinerlei Vorkenntnisse notwendig. Eine Anbindung an das Internet sollte allerdings im Haus oder in der Wohnung vorhanden sein.
Nichtsdestotrotz bleibt beim Smart Home immer auch die Frage der Datensicherheit, der Verlässlichkeit der unterschiedlichen Elemente und der Möglichkeit von Angehörigen, sich bei Ausfall von Systemen zeitnah um den technischen Support zu kümmern. Diese Aspekte sollten Sie beim Einsatz von smarter Technik im Hinterkopf behalten.
Fazit: Der barrierefreie Umbau lohnt sich
Um einer geliebten Person, die körperlich beeinträchtigt ist, den Umzug ins Altersheim oder in eine betreute Einrichtung zu ersparen, gestalten Sie doch lieber das Haus oder die Wohnung barrierefrei. Vom umgebauten WC bis zur komplett neuen Küche haben Sie viele Möglichkeiten. Die Kosten für behinderten- und altersgerechtes Wohnen in den eigenen vier Wänden werden von offiziellen Stellen in der Schweiz mitgetragen.